Im Frühjahr des Jahres 2010 wurden in der katholischen Kirche in Deutschland unzählige Missbrauchs- fälle bekannt. Seitdem bleibt das Thema in der kirchlichen und öffentlichen Wahrnehmung präsent. Auch über den Kontext von Seelsorge hinaus hat sexualisierte Gewalt das Leben vieler Menschen für immer verändert hat. Von Seiten der Institution Kirche und ihrer Vertreter wurde dieses Verbrechen allzu oft ausgeblendet und verschoben.
Auch wir als Franziskaner-Minoriten Provinz St. Elisabeth sind schuldig geworden.
In den vergangenen zwölf Jahren gab es Kontakte mit etwa 40 Betroffenen. Einige Täter sind mittler- weile verstorben. Ein Täter ist aus der Gemeinschaft ausgeschieden. Ein anderer lebt in einem Pflege- heim; ihm ist die Ausübung seelsorglicher Tätigkeiten seit Jahren verboten.
Das letzte Ordentliche Provinzkapitel der deutschen Ordensprovinz der Franziskaner-Minoriten hat in seiner Beschäftigung mit den Themen „Prävention und Aufarbeitung“ im November 2019 festgehalten: „Unsere eigenen Brüder wurden zu Verbrechern – einer Tatsache, der wir uns stellen müssen, ebenso wie der Frage, was wir hätten tun können, um schlimmes Leid für Opfer zu verhindern.“
Im Frühjahr 2022 hat die Provinzleitung der Gemeinschaft beschlossen, eine unabhängige Untersu- chung in Auftrag zu geben. Diese orientiert sich an den Standards der „Gemeinsamen Erklärung zur verbindlichen Regelung für eine unabhängige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Ordensgemein- schaften“, die vom damaligen Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und der Deutschen Ordensobernkonferenz am 17.05.2021 verabschiedet wurde.
Mit der unabhängigen Untersuchung wurden die beiden Rechtsanwältinnen Petra Ladenburger, Köln, und Martina Lörsch, Bonn, beauftragt. Sie sind seit vielen Jahren mit der Beratung und Vertretung von Gewaltopfern befasst und unter anderem als Anhörungsbeauftragte der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs tätig. Ihre Untersuchung, die Anfang Oktober in die erste konkrete Umsetzungsphase ging, hat als Zielrichtungen ausgemacht:
- – Benennung von individuell erfahrenem Unrecht und dessen Folgen
- – Dokumentation und Bewertung bekannt gewordener Einzelfälle
- – Analyse der Bedingungen und Strukturen, die Missbrauch ermöglicht und verdeckt haben
- – Analyse des Umgangs mit Betroffenen und Tätern seitens der Institution
- – Bestreben, durch einen Blick in die Vergangenheit die Zukunft besser zu gestalten
Neben der Aktenanalyse sollen dabei vor allem Gespräche mit den Betroffenen helfen, einen Überblick über das Ausmaß und die Folgen der sexualisierten Übergriffe zu erhalten und die strukturellen Prob- leme im Umgang mit Betroffenen und Tätern damit zu erfassen. Auch Interviews mit Zeitzeugen, Brü- dern, Verantwortungsträgern und Missbrauchsbeauftragten des Ordens sollen einbezogen werden. Alle Personen, die bereit sind, an der Untersuchung mitzuwirken und über ihre Erlebnisse, Erfahrungen und deren Folgen zu berichten, sind eingeladen, sich unter oder telefonisch unter 0221 973 128 54 zu melden. Alle Angaben werden vertraulich behandelt, eine weitere Verwertung erfolgt nur nach Zustimmung.
In einem digitalen Termin am 21.11.2022 um 19:00 Uhr stellen sich die Untersuchenden vor, beantwor- ten Fragen und nehmen Anregungen für die Untersuchung entgegen. Die Untersuchung soll durch ein beratendes Gremium begleitet werden, das die Perspektive Betroffener in die Untersuchung einbringt, ggf. die Fragestellungen ergänzt und dem regelmäßig über den Stand der Untersuchung berichtet wird. Der Termin soll deshalb auch die Bildung einer beratenden Gruppe ermöglichen. Um einen geschützten Raum zu bieten, ist eine Teilnahme nur nach Anmeldung möglich. Die Anmeldung kann unter info@la- denburger-loersch.de oder telefonisch 0221 973 128 54 erfolgen.
Provinzialminister Br. Andreas Murk, zugleich Vorsitzender der Deutschen Ordensobernkonferenz, be- tont, dass mit der beauftragten unabhängigen Untersuchung ein wichtiger Schritt hin zu dem getan wird, was sich die im „Würzburger Kreis“ vernetzten Ordensgemeinschaften gemeinsam mit dem dor- tigen Beraterstab in Fragen sexualisierter Gewalt vorgenommen haben, nämlich „der Wahrheit ins Ge- sicht zu sehen, eigene Fehler zu bekennen, Konsequenzen zu ziehen, den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und alles in der Macht des jeweiligen Amtes und der Organisation Stehende zu tun, damit künftig solche Verbrechen verhindert werden.“ Solange es keine allgemeine Untersuchung durch den Staat gebe, sei dies der gebotene nächste Schritt im Rahmen der Aufarbeitung durch den Orden.
Kontakt zu den mit der unabhängigen Untersuchung beauftragten Rechtsanwältinnen: Ladenburger & Lörsch | Strategien gegen sexualisierte Gewalt
Petra Ladenburger & Martina Lörsch, Rechtsanwältinnen
Neusser Straße 455 | 50733 Köln
Telefon: 0221 973128-54 | Fax: 0221 973128-55 | E-Mail:
Unabhängige Ansprechperson für Opfer und Betroffene sexuellen Missbrauchs:
Eva Hastenteufel-Knörr, Rechtsanwältin
Ringstraße 31 | 96117 Memmelsdorf
Telefon: 0951 40735525 | Fax: 0951 40735526 | E-Mail: